Leuchtturm-Projekt

Überblick

Ziel des Leuchtturmprojekts ist es, Technologiekonvergenz und digitale Ökosystem Konzepte in einem konkreten Anwendungsfall zu testen und zu evaluieren. Dazu erarbeiten wir aktuell mit unterschiedlichen Partnern aus der deutschen Milchindustrie, ein technologisches System für ein besseres Demand-Forecasting in Molkereien, welches gleichzeitig eine gemeinsame Vision der digitalen Zukunft der Milchindustrie darstellt.
Das Leuchtturm-Projekt ist dabei in mehrere Bereiche untergliedert, in denen sich jeweils dedizierte Teams mit verschiedenen Aspekten des Anwendungsfalls befassen.

Zusammenfassung und Überblick zum Leuchtturm-Projekt

In einer digitalen Zukunft der Molkereien soll die Genauigkeit von prognostizierten Abnahme-mengen verschiedener Molkereiprodukte gesteigert werden. Eine Möglichkeit hierfür ist ein technologiegestütztes Demand Forecasting System, welches auf Datenkollaboration verschie-dener Molkereien und modernen Analysemethoden für deren Auswertung basiert. Die Vision für dieses System ist es, eine kontinuierliche und datenbasierte Prognose zu schaffen, die un-terschiedliche Marktbedürfnisse besser als bisher adressiert und Molkereien eine flexible Re-aktion auf Veränderungen ermöglicht. Dadurch entsteht ein Mehrwert für alle teilnehmenden Molkereien und das Potential, die Marktposition jeder einzelnen Molkerei zu stärken. Die Um-setzung dieser Vision ist jedoch von verschiedenen technischen, konzeptionellen und rechtli-chen Rahmenbedingungen sowie Herausforderungen geprägt. In diesem Projekt soll im Rah-men einer technischen Potenzialanalyse geprüft werden, ob und wie gut der geplante techni-sche Unterbau und Kollaboration verschiedener Molkereien in Bezug auf den Austausch von Daten zu einer besseren Prognosegüte im Demand Forecasting führen können.


Projektdetails

Ausgangslage in der Produktions- und Absatzplanung der Molkereien

Die gegenwärtige Produktions- und Absatzplanung in Molkereien basiert auf einer Mischung aus Milchmengenprognosen (Supply-Daten) von Milchbauern und gemeldeten Abnahmedaten (Demand-Daten) durch den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Meist erfolgt diese Planung Molkerei-intern als simple Hochrechnung mit einem Soll-Ist-Abgleich von Supply und Demand sowie durch die Adaption von Daten aus einem Vergleichszeitraum. Die Rohmilchproduktion ist in der Regel (aber nicht immer) konstant und genossenschaftliche Molkereien sind zu deren Abnahme verpflichtet. Für private Molkereien bestehen vertraglich individuelle Lieferbeziehungen mit vergleichbaren Regelungen. Externe Daten werden in der Produktions- und Absatzplanung noch wenig strukturiert einbezogen, wobei Entscheidungen oft auf persönlicher Mitarbeitererfahrung oder einfachen Heuristiken beruhen. Die wichtigsten Daten, die Entscheidungen beeinflussen, stammen aus dem Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT Datenbank) oder werden von Nielsen Media Research bezogen. Außerdem spielen die Daten der Milchleistungsprüfung eine entscheidende Rolle. Für derartige Milchleis-tungsdaten sind bereits Standards etabliert. Weitere externe Faktoren (z.B. Wetter, Marktt-rends oder der Einfluss der Medien) sind zwar bekannt, werden aber oft nicht strukturiert bzw. nur begrenzt berücksichtigt.

Die Planungen der Produktions- und Absatzplanung finden in den meisten Molkereien in der Regel zu Jahresbeginn statt. Dabei wird ein erster Entwurf für das Gesamtjahr erstellt. In den folgenden Monaten erfolgt auf dieser Basis eine kontinuierliche, monatliche Anpassung, wobei einzelne Produktsegmente genauer berücksichtigt werden können. Diese Nachjustierung basiert oft auf einer verbesserten Datenbasis (Supply- oder Demand-Daten) oder Ankündigungen von Produkt-Werbeaktionen durch den LEH, die frühestens ein halbes Jahr im Voraus erfolgen. Auch die Milchbauern erstellen ihre Milchmengenprognose ebenfalls zu Jahresbeginn auf Basis von Schätzwerten. Im Laufe des Jahres kommt es auch hier meist nochmal zu einer Korrektur und verbesserten Nachplanung.

Problemstellung

Genossenschaftliche und private Molkereien stehen vor der Herausforderung, die angelieferte Milch effizient in die Wertschöpfungskette zu integrieren. Dies umfasst dabei Planungen sowohl für einzelne Produktkategorien als auch einzelne Marken. Die derzeitigen Prognosemethoden sind jedoch in dieser Hinsicht begrenzt. Es treten vermehrt Probleme wie Über- oder Unterdeckungen im Verhältnis von gelieferter Milchmenge zu geplantem Absatz auf.

Um diese Probleme zu adressieren, könnte eine bessere Datennutzung innerhalb der Molkereien ein passender Lösungsansatz sein. Aktuell werden die umfangreichen Datenressourcen in den vorgelagerten und eigenen Wertschöpfungsstufen nur wenig genutzt. Dadurch bleiben Chancen ungenutzt, die eigene Marktposition zu stärken.
In einem ersten Schritt muss eine Konsolidierung der bisherigen Datenquellen und Standards stattfinden, um eine automatisierte Nutzung der Daten in den einzelnen Molkereien zu ermöglichen. Daran anschließend kann ein kollaborativer Ansatz genutzt werden, um Daten über einzelne Molkereigrenzen hinweg auszuwerten. Ziel ist es, die Prognosegüte zu verbessern, was zu einer Stärkung der eigenen Wirtschaftlichkeit durch eine bessere Produktionsplanung führen kann. Neben der Stärkung der eigenen Marktposition soll der kollaborative Ansatz aber auch die Position des ganzen Sektors gegenüber dem LEH verbessert werden. Der positive Effekt des kollaborativen Ansatzes steigt dabei mit der Anzahl der teilnehmenden Molkereien.

Für etwaige Lösungsansätze stehen wir vor verschiedenen Herausforderungen. Zum einen herrscht ein Spannungsfeld zwischen Vertrauen, Kollaboration und (Daten-)Anonymität, welches es aufzulösen gilt. Da sich die Molkereien im gegenseitigen Wettbewerb befinden, ist diese Triade von großer Bedeutung. Nur bei Neutralität der Lösung und gegebener Anonymität der Daten aus den Molkereien kann Vertrauen unter den Molkereien und in das System entstehen sowie die Kollaboration gefördert werden. Darüber hinaus setzen Regularien gewisse Grenzen, wie beispielsweise das Kartellrecht, welches Mengen- und Preisabsprachen verbietet.

Vision für das Demand Forecasting System

Strategisch

Der Bedarf für ein Demand Forecasting System ergibt sich primär aus der Tatsache, dass der LEH seine Point-of-Sale (PoS) Daten zu Verkäufen der von den Molkereien hergestellten Produkten diesen nicht bzw. nur gegen hohe Geldbeträge zur Verfügung stellt. Diese Daten wären jedoch die beste Grundlage für eine zukünftige Verkaufsprognose und somit die Produktionsplanung in den Molkereien. Daraus leitet sich das strategische Ziel ab, mit allen verfügbaren alternativen Daten eine hinreichend präzise Absatzprognose zu entwickeln. Basierend auf einer verbesserten Produktionsplanung innerhalb jeder teilnehmenden Molkerei, kann damit eine stärkere Marktposition im Wettbewerb mit konkurrierenden Molkereien eingenommen werden.

Daneben ist es strategisch sinnvoll, das Prognose-Modell so zu entwickeln, dass es auf einer übergeordneten, eher hohen Abstraktionsebene arbeitet. Damit könnte das Modell auch für weitere Absatzprognosen genutzt werden. Ein hoher Abstraktionsgrad ist deswegen relevant, um wenige Rückschlüsse auf die Struktur der Daten und die beteiligten Agenten zu ermöglichen. Wichtig sind hier die Neutralität sowie eine individuelle Verbesserung der Prognose jedes einzelnen Teilnehmenden, da sich die Molkereien originär im gegenseitigen Wettbewerb befinden.

Operativ

Aus operativer Sicht soll das Demand Forecasting System in der Lage sein, für bestimmte Regionen und/oder Händler die jeweilige Nachfrage für den nächsten Monat zu prognostizieren. Dies sollte nach Möglichkeit auch Optionen für verschiedene Szenarioanalysen enthalten. Kurzfristige Anpassungen, die aus unvorhergesehenen Einflüssen resultieren (z.B. Konjunktur-Einbruch), sowie grundsätzlich Saisonalität der Produktions- und Nachfragekurven sollten über das System ebenfalls abbildbar sein.
Da die Nachfragekurven verschiedener Molkereiproduktgruppen sowohl individuellen (z.B. Produktionskapazität) als auch globalen (z.B. Jahreszeit, wirtschaftliche Lage) Einflussfaktoren unterliegen, sollten diese ebenso berücksichtigt werden. Ein Split-Learning Ansatz scheint hier vielversprechend, um in einem kollaborativem Umfeld die globalen Ein-flussfaktoren wie Konsumtrends besser zu analysieren und gleichzeitig agnostisch gegenüber individuellen Nuancen zu sein.

Technisch

Aus technischer Sicht sollte das Demand Forecasting System sicherstellen, dass alle verfügbaren und sinnvoll nutzbaren internen (Bsp.: geplante Werbeaktionen des LEH) und externen Datenquellen (Bsp.: Nielsen Abverkaufs Daten, Weltmarktpreise Milch, Futterpreise, Suchma-schinendaten, Trenddaten/Social Listening) sowie deren Auswertung für das Gesamtprognoseergebnis strukturiert einbezogen werden können. Dabei muss der Privacy Aspekt – insbesondere bei internen Daten – immer im Auge behalten werden. Die Anpassungsfähigkeit auf spontane Einflüsse muss technisch gewährleistet werden. Das Modell sollte, wo möglich, auf bestehende Standards zurückgreifen.